Die ehemalige Pflegestelle berichtet:
Tigron ist ein zweieinhalb Jahre alter sehr anhänglicher
rot-weißer Kater mit einer wunderschönen
Marmorzeichnung, der, aufgeweckt wie er ist, auch Türen
öffnen kann. Sein Name setzt sich aus den französischen
Worten tigre und ronronner zusammen und bedeutet "Schnurrender
Tiger", was ihm absolut gerecht wird, denn er kann
stundenlang schnurren und schmusen. Er war der Liebling
einer alten Dame, die ihn schweren Herzens in Lièpvre
im Tierheim abgeben mußte, nachdem sich herausgestellt
hatte, dass ihr Enkelkind, das sie tagsüber betreut,
an einer schweren Katzenallergie leidet. Tigron kam
mit den anderen Katzen im Tierheim überhaupt nicht
zurecht und fraß kaum noch etwas. Er war so verstört,
dass Martine, die Tierpflegerin ihn mit zu sich nach
Hause nahm, um ihm etwas Erholung zu gönnen. Leider
fürchtete Tigron sich vor ihren beiden kleinen
Hunden und begann auch noch zu erbrechen. Martine hatte
Angst, dass der Kater sterben würde, wenn er nicht
bald auf einen Einzelplatz käme und wendete sich
an Moni Pügge, die bei mir anfragte, ob ich Tigron
nicht bis zu seiner endgültigen Vermittlung bei
mir aufnehmen würde. Schon am nächsten Tag
zog er in unserer Waschküche ein, die für
sämtliche in unserem Haushalt lebenden Vierbeiner
gesperrt wurde, so dass er erst einmal absolute Ruhe
hatte. An seinem Zustand änderte sich trotz Antibiotika
und Magentropfen gegen die Übelkeit nicht viel.
Er wurde immer dünner, obwohl ich ihm alle möglichen
Leckereien anbot und ich mußte froh sein, wenn
ich dieses Riesentier dazu bewegen konnte, einen Löffel
voll Futter in zwei Tagen zu sich zu nehmen. So konnte
es jedenfalls nicht weitergehen und ich ließ Martine
bitten, mir alles über seine früheren Lebensumstände
mitzuteilen, was sie in Erfahrung bringen konnte. Als
ich dann von seiner Vorgeschichte erfuhr, war sofort
klar, dass der arme Kerl entsetzlich unter dem Verlust
seines geliebten Frauchens und seines Zuhauses litt
und einfach nur trauerte. Die Isolation in der Waschküche
war somit das Schlimmste was ich ihm antun konnte, denn
bis dahin war er der Mittelpunkt im Leben seines Frauchens
gewesen. Also ließ ich ihn unser Haus erkunden,
wobei die anderen Tiere aber erst einmal in sicherer
Entfernung bleiben mußten. Und es funktionierte!
Tigron begann zu fressen, zuerst nur Futter für
Katzenkinder, aber immerhin kehrte seine Lebensfreude
zurück und ich konnte damit beginnen, ihm klar
zu machen, dass er sich die Welt mit anderen Katzen
und auch mit Hunden teilen muss. Inzwischen frißt
er alles was irgendwie freßbar scheint und klaut
dazu noch wie ein Rabe. Eigentlich dachte ich, dass
es nun ein Leichtes sei, unserem Schnurrschmuser ein
neues Zuhause zu finden, aber trotz einer ganzen Reihe
von Anfragen interessierte sich dann doch niemand ernsthaft
für ihn. Weihnachten rückte immer näher
und einer meiner sehnlichsten Wünsche war, dass
sich doch recht bald ein lieber Mensch bei mir melden
möge, der Tigron eine neue Heimat geben würde.
Manchmal werden Wünsche zwar erfüllt, aber
man erlebt doch eine Überraschung, denn es kommt
ganz anders als man denkt. Über die Weihnachtsfeiertage
war meine Mutter mit ihren beiden kleinen Kätzchen
bei uns zu Besuch. Sie war sofort völlig begeistert
von Tigron, konnte kaum glauben, dass ihn bis jetzt
niemand haben wollte und entschloss sich spontan, ihn
zu sich zu nehmen. Seit Anfang des Jahres lebt Tigron
jetzt am Bodensee und teilt sich sein neues Frauchen
mit fünf weiteren Katzen und einer sehr lebhaften
Malinois-Mix-Hündin, die übrigens auch aus
Lièpvre kommt. Mit den beiden kleinen Kätzchen
spielt er "Wilde Jagd" und "Sau rauslassen"
im Treppenhaus und inzwischen auch im Freien, denn seit
vier Tagen darf er endlich hinaus in den Garten. Die
frische Luft wirkt sehr Appetit anregend auf ihn, denn
Tigron frißt seit neuestem das Vierfache von dem,
was er bisher zu sich genommen hat. Ich hatte anfangs
ein sehr mulmiges Gefühl, als ich Tigron nach Konstanz
umziehen ließ, denn eigentlich sollte er auf einen
Einzelplatz vermittelt werden. Außerdem ließ
er sich am Anfang von meiner Mutter überhaupt nicht
anfassen und machte ihr sehr deutlich, dass er ausschließlich
mich liebt. Bei jemand anders hätte ich dieses
Experiment nie gewagt, aber bei meiner Mutter habe ich
darauf vertraut, dass sie sich in Tigrons Seelenleben
hineinversetzen und abwarten kann, bis er sie akzeptiert.
Tigron ist nämlich ein Kater mit Prinzipien. Er
läßt sich zu nichts zwingen. Ihn mit Zuwendung
zu überschütten hätte überhaupt
keinen Sinn gehabt, denn nicht der Mensch geht auf ihn
zu, sondern Tigron auf den Menschen, wenn er es will
und für richtig befindet! Meine Mutter kann sich
vor seinen Liebesbeweisen kaum noch retten, obwohl auch
sie nicht sicher war, ob Tigron sich bei ihr einleben
würde, und mir hoch und heilig versprochen hatte,
ihn zu mir zurück zu bringen, wenn er sich bei
ihr nicht wohl fühlen würde, aber der Erfolg
hat uns recht und Tigron ein neues Zuhause gegeben.
Ich freue mich jedenfalls, dass er
praktisch in der Familie bleibt und ich ihn immer wieder
sehen werde, denn er hat sich auch in mein Herz eingeschlichen.
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