Eine Gassigeh-Erfahrung von Eros-Herrchen
Carsten
Ich war am Freitag zusammen mit
Concetta zum ersten Mal im Tierheim Lièpvre.
Eigentlich war ich nur als Fahrer "engagiert",
aber es war ja logisch, dass ich auch zum Gassigehen
verpflichtet werden würde, also habe ich mal festes
Schuhwerk eingepackt und gehofft, dass es dort nicht
ganz so steil bergauf geht wie Concetta immer berichtet
hat... eine Hoffnung, die leider unerfüllt blieb.
Da ich jeden Tag 5 mal mit Eros laufe (allerdings überwiegend
in der Ebene), war ich dennoch zuversichtlich, dass
ich die Aufgabe problemlos bestehen würde. Wie
sehr man sich doch täuschen kann...
Auf den ersten Blick fand ich das Tierheim eigentlich
gar nicht so schlecht, wie ich es mir immer vorgestellt
hatte. Die Tiere machen den Eindruck, als wären
sie gut versorgt (so gut wie es in einem Tierheim eben
möglich ist), und durch die Lage sind sie auch
nicht so sehr der Hitze ausgesetzt wie zum Beispiel
in Colmar. Als wir um kurz nach 13 Uhr ankamen, sagte
Concetta mir, dass wir mit allen Hunden Gassi gehen
würden... ich hab dann mal kurz durchgezählt
und mich auch gleich von der Idee verabschiedet, dass
wir gegen 18 Uhr wieder zurücksein würden,
wie Concetta mir am Telefon versichert
hatte... vor allem, nachdem ich die Route gesehen hatte.
Ich war um halb elf zu Hause aufgebrochen und hatte
Eros
allein zurückgelassen. Nun machte ich mir natürlich
etwas Sorgen, da ich ihn ungern länger als 5 oder
6 Stunden allein lasse.
Die erste Tour machten Concetta und ich noch zusammen,
damit ich die Strecke kennenlernen konnte, die gelaufen
werden sollte. Concetta schnappte sich
Nuego
und ich bekam
Bianca.
Eine gute Auswahl, wie sich herausstellte, war doch
Nuego eher damit zufrieden, einfach nur zu laufen, während
Bianca die ganze Zeit spielen wollte mit Stöckchen
und mir. Auch die Streicheleinheiten durften natürlich
nicht fehlen. Sie ist eine wirklich schöne und
extrem liebe Hündin, die auch sehr gut auf Kommandos
hört. Sie hat trotz ihrer Jugend schon Probleme
mit den Hüften, da sollte sie nicht zu lang im
Tierheim sitzen müssen, sie braucht Training und
Bewegung und einen sicheren Boden, auf dem sie nicht
ausrutscht.
Danach trennten sich dann unsere Wege und wir liefen
jeweils alleine, etwas zeitversetzt, den Berg hinauf.
Da ich ein großer Dogo-Fan bin, bekam ich als
nächstes
Criska.
Sie hat wie ich einen leichten Hang zum Übergewicht
(na
gut, sie is wie ich ziemlich fett...), und ich hatte
mich schon auf eine eher gemütliche Tour gefreut,
aber weit gefehlt. Criska entwickelte für ihre
Figur ein erstaunliches Tempo und war auch bergauf nicht
wirklich langsam unterwegs, und das obwohl es doch recht
warm war. Sie ist also alles andere als ein fauler Hund
und sehr lauffreudig. Bergab war sie dann allerdings
wirklich kaum noch zu bremsen (es lebe die Schwerkraft...),
und da sie auch keine Pausen machte, um sich streicheln
zu lassen, war ich schon nach dem zweiten Spaziergang
mehr tot als lebendig. Im Tierheim angekommen, nutzte
ich die Zeit, in der ich auf Concetta wartete, um ein
bissle mit Criska zu kuscheln, was sie sehr genoss (hätte
sie auch vorher schon haben können, aber sie wollt
ja net... sehr zu meinem Leidwesen...) und überlegte
mir schon, wen ich wohl als nächsten bekommen würde.
Die Tatsache, dass die Hunde dort wohl nur einmal pro
Woche rauskommen, wenn Concetta da ist, rückte
die Hoffnung, mal einen gemütlichen Hund zu bekommen,
allerdings in immer weitere Ferne.
Mein nächster Begleiter war
Junior.
Er ist ein sehr aufgeweckter Hund, sehr ausdauernd (wie
sich der geneigte Leser inzwischen denken kann, war
er bergauf an der Leine eine echte Herausforderung für
mich, da tempomäßig mitzuhalten), aber zum
Glück für mich liebte Junior die kleinen Pausen
für die Streicheleinheiten sehr, die er jedesmal
mit einem eingesprungenen Küsschen belohnte. Unglaublich,
wie hoch so ein kleiner Hund springen kann... für
mich war zu diesem Zeitpunkt an Springen gar nicht mehr
zu denken. Ich befolgte Concettas Anweisung ("mit
Junior musst du ein bissle weiter laufen als mit den
anderen, der braucht das") dennoch, und auch wir
beide kamen wieder glücklich im Tierheim an, wenn
auch durchaus in unterschiedlicher konditioneller Verfassung.
Als nächstes wurde ich mit Neuzugang
Rocky
bekannt gemacht, einem sogenannten "Problemhund"
(der natürlich wie immer erst von seinen "Problemmenschen"
dazu gemacht worden war).
(Anm. v. sansfrontieres:
Von Rocky gibt es nun auch Fotos. Er ist ein fast schwarzer
Bordercolliemix, geb. am 30.6.2000, der im Tierheim
unter Beobachtung steht, weil er mehrfach gebissen hätte.
Nach 3 Wochen Beobachtung, ob die Tiere irgendwelche
Anzeichen auf Tollwut zeigen, werden Beißer normalerweise
eingeschläfert.)
Über ihn wurde mir von Concetta und dem Tierheimpersonal
berichtet, dass er sich nicht anfassen lässt und
auch gerne mal beisst. Er ignorierte mich anfangs komplett,
zog aber wenigstens nicht an der Leine sondern beschnüffelte
interessiert alles, was auf unserem Weg lag. Wenn ihn
etwas besonders interessierte, fegte er störendes
Material vorsichtig mit seiner Pfote beiseite, um besser
an den Duft heranzukommen. Ich schloss daraus, dass
ich es mit einem sehr intelligenten Exemplar zu tun
hatte, und wartete erstmal ab. Ein paar ruhige Worte
hier und da, die er nichtmal mit einem Blick in meine
Richtung würdigte, war alles was zu hören
war... abgesehen von meinem Atem, der zu
diesem Zeitpunkt schon mehr dem Hecheln eines Hundes
glich. Er hörte allerdings auf das Kommando "vien",
was immerhin zu einer gewissen Hoffnung Anlass gab,
dass wir am Ende doch noch irgendwie zusammenfinden
würden.
Auf dem Rückweg, nachdem er die Zeit hatte, sich
an meine Gegenwart zu gewöhnen, hockte ich mich
dann einfach mal auf den Weg und wartete, was passiert.
Rocky schaute sich erstmal um, als er merkte, dass es
nicht mehr
vorwärts ging. Dann kam er auf mich zugetrabt,
rang sich ein kurzes Schwanzwedeln ab und beschnupperte
mich erstmal. Ermutigt von diesem Erfolg versuchte ich
das gleiche nach ein paar Minuten Laufen noch einmal.
Diesmal rief ich ihn, bevor er das Ende der Leine erreicht
hatte. Als er seinen Namen hörte, kam er auch sofort
wieder zu mir gelaufen, und nahm diesmal sogar Körperkontakt
auf. Als ich ihm wie beiläufig mit der Hand am
Fell entlang strich, zeigte er keinerlei Angst oder
Aggression. Und so kam es, dass wir, als wir wieder
im Tierheim angekommen waren, an einer Bank Rast machten
und Rocky sich erstmal ausgiebig streicheln ließ,
sehr zur Verwunderung des Tierheimpersonals. Er forderte
mich sogar zum Weitermachen auf, als ich mal kurz Pause
machte... ein ganz normaler Hund also, der einfach nur
Vertrauen aufbauen muss, bevor er sich auf einen Menschen
einlässt. Ich habe eine halbe Stunde gebraucht,
und hatte einen verschmusten Hund, der auf Zuruf kam
und auch Sitz problemlos ausführte. Leckerli kennt
er gar nicht, hat wohl noch nie welche bekommen, damit
kann man ihn also nicht bestechen, man muss sich schon
selber ein bisschen Mühe geben.
Als nächstes war Ulco
dann dran. Auch hier täuscht das Übergewicht
des Hundes über die Geschwindigkeit beim Gassigehen...
wir sind den Berg förmlich hinaufgerannt und
noch schneller wieder runter. Wasser liebt er über
alles, und wenn er welches sieht oder hört, is
er gar nimmer zu halten. Ich habe schon viel erlebt,
aber bei Ulco hatte selbst ich Schwierigkeiten, ihn
zu halten, wenn er losgespurtet ist. Wieder im Tierheim
angekommen, schleppte ich mich mit letzter Kraft auf
besagte Bank, Ulco sah aus wie ein Schwein (gibt ja
nicht so viel sauberes Wasser zu der Jahreszeit in
Lièpvre, is eher schlammig das ganze...), und
während ich ihn gedankenverloren streichelte,
sprang er plötzlich auf und rannte laut bellend
wie ein Blitz los. Er hätte mich fast von der
Bank runtergerissen, was den Chef des Tierheims zu
einem kurzen Heiterkeitsausbruch veranlasste... Auslöser
war eine friedlich auf einer Fensterbank sitzende
Katze gewesen.
Nachdem Concetta mit Max
frisch und ausgeruht um die Ecke kam (sie hatte eine
Runde ausgesetzt, als ich mit Rocky unterwegs gewesen
war, um einige Fragen von Leuten im Tierheim zu beantworten),
fiel mir auf, dass ihre Hunde
irgendwie alle total gemütlich unterwegs waren...
sollte ihre Hundeauswahl für mich wirklich Zufall
gewesen sein oder Teil eines geheimen Trainingsprogramms?
Am Schluss liefen wir wieder zusammen, ich bekam Appollon
und Concetta hatte seinen Zwingergenossen, die junge
Jagdhündin Nenette
. Die beiden waren sehr entspannt unterwegs,
beide standen regelmäßig bei mir um sich
streicheln zu lassen, und beide hörten sofort
auf alle wichtigen Kommandos. Zwei Traumhunde, wie
die anderen zuvor auch.
Am Schluss des Tages widmete ich mich nochmal Rocky.
Ich habe ihn am Ende, bevor wir gegangen sind, nochmal
aus seinem Zwinger geholt, so dass er frei auf dem
Tierheimgelände laufen konnte. Auch da kam er
immer wieder zu mir um
sich streicheln zu lassen. Auch die Tierheimmitarbeiter
haben ihn gestreichelt und erfreut festgestellt, dass
er ein ganz lieber Hund ist. Nur dass er dann am Ende
wieder in den Zwinger musste, hat er gar nicht verstanden.
Am liebsten wäre er mit mir zusammen nach Hause
gegangen. Ich bin noch eine Weile bei ihm drin geblieben
und wir haben noch ein bissle auf seiner Decke gekuschelt,
aber irgendwann mussten wir ja mal los, Eros wartete
schließlich zu Hause auf mich. Es war echt hart,
Rocky dort zurückzulassen, er hat richtig gewinselt
als ich raus bin. Hoffentlich findet er schnell jemanden,
der ihm das geben kann, was er braucht.
Als ich heute morgen wach geworden
bin, habe ich Schmerzen an Stellen meines Körpers
gespürt, von denen ich vorher nicht mal wusste,
dass ich dort Stellen habe. Concetta ist übrigens
ohne Schlaf direkt zu ihrer nächtlichen Arbeit
aufgebrochen, und hat die ganze Zeit nicht ein einziges
Mal gestöhnt oder sich beklagt. Als ich sie heut
nachmittag angerufen habe, klang sie wie frisch aus
dem Urlaub.
Wirklich bewundernswert. Ohne sie wären die Hunde
in Lièpvre wirklich zu bedauern.
Ein Update zu Eros kommt in den nächsten Tagen.
Viele Grüße,
Carsten